Wer Honisch City betritt, tut gut daran, den Hut tief ins Gesicht zu ziehen und den Colt nicht zu weit vom Griff zu lassen. Dies ist keine Stadt für eilige Durchreisende – sie verlangt Respekt, Vorsicht… und manchmal eine Grabrede.
Die folgenden Szenen führen euch an zehn der berüchtigtsten Orte dieser Westernstadt, gebaut von Hand, Stück für Stück – im Maßstab 1:160, komplett „from Scratch“, für Modellbauer mit Sinn für Staub, Bretter und Geschichten aus Blei.
Den Auftakt macht „The Undertaker“, das düstere Domizil von Werner Fallinsloch, dem wortkargen Totengräber deutscher Herkunft. Seine Schaufel ist blank, sein Blick stumpf. Wer hier liegt, bleibt. Hinter seinem Haus, in der schmalen Snake Alley, wurde noch nie jemand gefunden – nur Dinge. Messer, Hüte, Schuhe… ohne Träger.
Und das ist nur der Anfang.
Ihr werdet Orte sehen, an denen Whiskey mehr zählt als Worte. Gassen, in denen der Wind Namen trägt. Und Fassaden, hinter denen Männer verschwinden wie Spucke im Staub.
Zehn Orte. Hundert Tote. Kein Zurück.
Willkommen in Honisch City. Wo der Maßstab klein ist – und die Geschichte groß.
The Undertaker – Schaffensort von Werner Fallinsloch, dem deutschen Totengräber
Fünf Särge. Alle identisch. Glattes, dunkles Kiefernholz. Jeweils zehn Dollar – bar oder mit der letzten Ehre bezahlt. Sie stehen nebeneinander wie stille Brüder, aufgereiht vor dem „Undertaker“-Office an der östlichen Hauptstraße, direkt dort, wo der Schatten der Snake Alley am längsten ist.
Werner Fallinsloch steht in der Tür. Groß gewachsen, bleich wie Kreide, Bart akkurat getrimmt. Seine Schaufel lehnt neben dem Rahmen wie ein Teil von ihm. Man munkelt, er hat früher in Bayern als Totengräber begonnen – doch dort war ihm zu wenig Arbeit. In Honisch City hat er keine ruhige Stunde. Heute allein fünf neue Kunden. Keine Freiwilligen. Aber bleibend.
Auf dem Kutschbock seiner Leichenkutsche sitzt Dietmar Knochenschmitt, ein breitschultriger, zahnloser Rüpel mit schmutzigem Ledermantel, der mehr nach Beute aussieht als nach Beifahrer. Niemand weiß, woher er kommt, aber alle wissen, dass er keinen Unterschied macht zwischen Mensch und Vieh – solange er bezahlt wird. Hinten auf dem Wagen: ein einzelner Sarg. Darin der Revolverheld „Short Pete“, der gestern noch beim Pokern beschiss – und heute keine Karten mehr braucht.
Werner zieht seine Taschenuhr. „Bevor die Sonne sinkt, bring ich sie alle unter“, murmelt er auf Deutsch, während er dem nächsten Sarg den Deckel abnimmt, um ihn auszupolstern.
Eine Anekdote, die man sich im Saloon erzählt: Werner hat einmal zwei Streithähne gleichzeitig beerdigt – und aus Versehen vertauscht. Die Witwe erkannte es zu spät. Er bot an, beide umzubetten. Aber nur gegen Aufpreis.
Ein anderes Mal klaute ein Halunke aus der Snake Alley ein Pferd – kam aber nie über die nächste Straßenecke hinaus. Werner fand ihn später in drei Teilen. Als er gefragt wurde, wie das geschehen sei, antwortete er nur: „Er hat sich wohl übernommen.“
Die Snake Alley liegt direkt hinter dem Gebäude. Ein schmaler Gang aus Mauerwerk, Pisse und Vergangenheit. Dort verschwinden nur zwei Arten von Leuten: die, die’s verdient haben – und die, die’s nicht besser wussten.
Ein Aushang an der Tür verrät den nüchternen Kern von Fallinslochs Arbeit:
„Särge: 10 Dollar. Schaufelnutzung inklusive. Fragen kostet extra.“
Die Kutsche setzt sich in Bewegung, das Holz knarzt. Werner zieht die Tür zu. Die Särge bleiben stehen. Fünf leere Truhen. Noch.
In Honisch City gibt es keine Überbevölkerung.
Nur ein gut ausgelastetes Bestattungswesen.
Die Frau mit dem geladenen Lächeln
Friederike steht oben auf der knarrenden Treppe, die von der ersten Etage des Undertaker-Hauses hinabführt. Sie ist Werners Frau. Oder seine Witwe in spe, wie mancher spottet – denn sie bringt mehr Leute in die Grube als ihr Mann. Man munkelt, dass sie ihm Kundschaft organisiert. Unterm Rock trägt sie einen Colt, geladen, gesichert – nicht für die Show, sondern für Entscheidungen.
Wenn Friederike durch die Stadt geht, senken selbst gestandene Männer die Augen. Früher arbeitete sie im „Red Viper“-Saloon. Dort war sie berüchtigt für ihre „Whiskey-Wette“ – wer ihr drei Gläser hintereinander standhielt, durfte sie zum Tanz bitten. Niemand kam über das zweite hinaus. Und wer es versuchte, bekam eine Ohrfeige, die noch durch drei Bundesstaaten nachhallte.
Heute trägt sie ein grün-weißes Kleid. Es war das teuerste in ganz Honisch City. Eine andere Dame wollte es ihr aus der Schneiderhand wegschnappen. Zwei Tage später wurde sie beerdigt. Ohne sichtbare Wunde.
Aber Friederike lächelte. Und niemand fragte weiter.
Zwei Fäuste für Honisch City
Szene: Main Street, kurz nach Sonnenuntergang.
Der Staub hängt noch in der Luft wie der letzte Atemzug eines schlechten Tages.
Die Schatten werden länger, doch zwei Männer stehen hell und breitbeinig mitten auf der Straße:
Trinità, schlank, locker, das Gewehr lässig über der Schulter.
Bambino, massig, stumm kauend, die Hände wie Ambosse an den Seiten.
Beide blicken auf das Chaos ringsum: eingeschossene Fenster, leere Patronenhülsen, ein paar zu tief vergrabene Cowboys und das Knarren einer verlassenen Schaukelbank.
Trinità (schiebt sich den Hut aus der Stirn, grinst schief):
„Na, Bruder. Da haben wir mal wieder ’ne Stadt gefunden, in der man zuerst schießt und dann… auch nicht mehr viel sagt.“
Bambino (knurrt):
„Hier hat wohl einer zu oft gezogen. Und zu selten gedacht.“
Trinità (deutet auf die Leichen in der Snake Alley):
„War das da hinten ein Begräbnis… oder ne Rabattaktion für Totengräber?“
Bambino (blickt finster zur Wäscherei):
„Ich seh mehr Waffen im Waschhaus als in Fort Alamo. Und die Frau da mit dem Kleid… die hat mehr Biss als ’ne Klapperschlange mit Koffein.“
Trinità (nickt anerkennend):
„Friederike? Die hat dem einen Kerl angeblich das Leben gerettet – indem sie’s beendet hat.“
Bambino (leise):
„Und ich dachte, du übertreibst.“
Trinità (grinst breit):
„Tu ich ja auch. Aber in Honisch City ist das die Wahrheit.“
Bambino (zieht die Ärmel hoch):
„Ich sag dir was, Trinità: Wenn hier noch einer dumm kommt, klopf ich ihm so tief auf den Kopf, dass er mit der Stirn sein eigenes Grab schaufelt.“
Trinità (lacht):
„Na los, großer Bruder. Lass uns beim Undertaker melden. Vielleicht gibt’s Rabatt für Großabnehmer.“
Kamera fährt hoch. Die Sonne brennt rot auf dem Horizont. Trinità spuckt in den Staub. Bambino knackt die Finger.
Die Stadt hält den Atem an.
Denn wenn diese beiden auftauchen…
ist der nächste Tumult nur einen dummen Spruch entfernt.
Snake Alley – Wo der Schatten lacht und keiner zurückkommt
Die Snake Alley ist keine Gasse. Sie ist ein Versprechen. Ein Flüstern im Staub.
Ein schmaler, verdrehter Pfad, der sich hinter dem Totengräberhaus entlangschlängelt wie ein Messer durch Fleisch.
Rechter Hand: „The Undertaker“ – das Sarglager wirkt von hier aus wie eine Vorratskammer für den Tod.
Davor: eine alte Latrine, morsch, stinkend, halb eingesunken im eigenen Gestank.
Gleich links daneben: der „Barber’s Hell“, offiziell ein Barbierladen, inoffiziell ein Ort für Rasuren, bei denen mehr als nur Haare fallen. Die Fenster sind blind, das Blut ist echt.
In dieser Gasse lebt niemand.
Hier stirbt man. Leise. Endgültig.
Und wenn der Wind dreht, hört man ihn.
Den „Würger von Honisch“.
Niemand hat ihn je gesehen. Niemand kennt seinen Namen.
Nur den Schatten – der immer zu spät kommt. Und trotzdem zuerst da ist.
Er lacht nicht laut. Aber wer ihn hört, lacht nie wieder.
Die Kartenhand des Billy Tate
Billy Tate war ein Spieler, wie ihn die Saloons liebten: dumm, laut, reich an Schulden.
Eines Nachts verließ er den Red Viper mit mehr Chips als Verstand – und lief durch die Snake Alley, Abkürzung zum Quartierhaus.
Man fand ihn am nächsten Morgen.
Aufrecht sitzend an der Latrine. Die Augen weit aufgerissen.
In der linken Hand: seine Karten. Fünf Asse.
In der rechten: nichts. Denn der Würger hatte sie ihm abgeschnitten – von den Fingern bis zum Ellenbogen. Sauber. Ohne Blut.
Fallinsloch sagte: „Der war schon kalt, als der Mond noch stand.“
Niemand stellte Fragen. Nur der Wind spielte noch mit den Karten.
Der falsche Friseur
Clive Marchand kam als Barbier nach Honisch City.
Franzose, feine Manieren, scharfe Messer. Doch es hieß, er war kein Friseur – sondern ein Spion. Oder ein Mörder. Oder beides.
Er eröffnete seinen Laden direkt an der Snake Alley.
Drei Wochen lang kamen Kunden – und verschwanden.
Bis eines Nachts Clive selbst verschwand.
Am Morgen war sein Rasierstuhl leer.
Dafür hing über der Latrine ein Zettel, befestigt mit einem Rasiermesser:
„Der Schatten rasiert sauberer.“
Sein Laden steht noch. Der Stuhl auch.
Aber keiner setzt sich. Nicht mal die Ratten.
Snake Alley – sie nimmt keine Miete.
Nur Leben.
Wenn du hindurch musst, renn.
Wenn du Schatten siehst, bete.
Und wenn du Lachen hörst…
ist es schon zu spät.
Der rote Barn – Haus aus Holz, Herz aus Dunkelheit
Hinter dem Haus des Undertaker, dort wo der Hof in schwarzen Lehm übergeht und selbst der Wind nicht mehr traut, steht der rote Barn mit den weißen Streifen. Eine Scheune, wie aus einem alten Gemälde – wäre da nicht dieser Geruch nach Eisen, Schweiß und Dingen, die man nicht benennen kann.
Man sagt, dort fanden geheime Versammlungen statt. Nächtelang sah man Schatten auf den Dachbalken tanzen, hörte Flüstern durch die Ritzen, Worte in fremden Zungen, in Stimmen, die nicht nach Menschen klangen. Fremde Reiter kamen – schwarz gekleidet, ohne Abzeichen, mit Pferden, die keine Hufeisen trugen. Wenn sie wieder verschwanden, blieben nur Fußspuren… und der Gestank von verbrannter Zeit.
Manche meinen, hier wurde über das Schicksal der Stadt entschieden. Andere sagen, hier wurden Seelen verkauft. Niemand weiß es genau. Denn wer dabei war, redet nicht mehr. Oder spricht nur noch rückwärts im Schlaf.
Was aber alle wissen: Der Barn schreit. Nicht ständig. Nicht laut. Aber oft genug, dass man es nicht mehr als Wind abtun kann.
In manchen Nächten hört man Klagen aus dem Innern. Röcheln, das durch die Dielen kriecht wie Qualm aus einem gespaltenen Sarg.
Und jedes Mal ist es dasselbe Spiel: Einer der mutigeren Stadtbewohner – meist betrunken oder lebensmüde – geht mit einer Laterne in der Hand hinüber. Öffnet das Tor. Leuchtet hinein.
Nichts.
Nur Staub. Alte Gerätschaften. Vielleicht ein Haken an einem Balken. Und die Stille.
Doch kaum verlischt das Licht… hebt das Weinen wieder an. Trauriger. Näher. Wütender.
Werner Fallinsloch selbst sagte einmal:
„Ich schaufle Gräber. Nicht für die, die schreien – sondern für die, die zu spät merken, dass sie noch leben.“
Seitdem meidet selbst Friederike den Barn. Und das will was heißen.
Man sagt, wenn man in Vollmondnächten das Ohr an die Holzwand legt, hört man seine eigenen Sünden geflüstert.
Manche lassen es trotzdem nicht. Und man hört sie nie wieder lachen.
Barber’s Hell – Wo Haut nicht alles ist, was man verliert
Zwischen dem Undertaker-Haus und dem verrufenen Barbierladen drängt sich eine Gasse so schmal, dass zwei Männer darin nicht aneinander vorbeikämen – jedenfalls nicht beide lebend. Dort, im Schatten der modrigen Ziegel, beginnt er zu rollen: der Leichenwagen.
Gezogen von einem rabenschwarzen Maultier mit Augen wie Kohle. Auf dem Bock: Gustav Hackebein, der Todeskutscher – grinsend, zahnlos, und mit einem Flachmann in der Faust, den er nur hebt, wenn die Toten zu leicht sind.
Die Tür des „Barber’s Hell“ knarrt, als Hackebein vorbeifährt. Keine Kunden drin – seit Tagen nicht. Nur Gerüchte. Und der Geruch nach altem Haar und neuem Blut.
Früher rasierte Clive Marchand hier. Heute ist sein Stuhl leer. Die Messer nicht.
Die Rasur von Jiang Wei
Jiang Wei, einer der Leibwächter des Clan-Bosses, betrat einst den Laden, um sich den Bart schneiden zu lassen. Marchand zitterte – nicht vor Angst, sondern vor Gier. Ein sauberer Schnitt gegen einen Goldbarren, so lautete die Abmachung.
Doch als das Messer über Jiangs Hals schwebte, fragte der Franzose zu viel. Über Herkunft, Pläne, Gassenkämpfe.
Jiang stand auf, blickte ihn lange an – und verließ den Laden wortlos.
Am nächsten Morgen war der Spiegel über dem Barbierstuhl zersprungen. Und Marchand verschwunden.
Man fand nur das Messer – in einer Schale Wasser. Das Wasser war rot.
Der letzte Schnitt für Tommy Blake
Tommy Blake, der junge Revolverheld mit dem zu schnellen Mundwerk, ließ sich hier regelmäßig die Koteletten nachziehen. Angeblich brachte ihm das Glück beim Pokern.
Eines Tages jedoch gewann er zu viel – von einem Mann, der besser verlor. Noch in derselben Nacht suchte Tommy Unterschlupf beim Barbier. Sagte, er müsse „untertauchen“ – Marchand solle ihm den Bart färben.
Marchand tat, wie ihm geheißen. Doch am nächsten Morgen war Tommys Kopf rasiert – komplett.
Und sein Körper? Fehlte.
Hackebein fuhr an diesem Tag zweimal. Beim zweiten Mal war der Sarg zu klein.
Barber’s Hell hat keine Öffnungszeiten. Nur Schicksal.
Und die Gasse daneben? Sie ist der Flur zum Ende.
Wenn der Leichenwagen aus ihr herausrollt, flüstert Honisch City:
„Wieder einer weniger. Wieder ein Platz mehr im Saloon.“
Der Blick der Geier – Honisch City von oben
Die Sonne steht bleiern über Honisch City.
Nicht warm – drückend. Nicht hell – verwaschen. Als hätte selbst das Licht beschlossen, nur noch zuzuschauen.
Hoch oben am Himmel: dunkle Silhouetten.
Geier.
Vier. Nein – fünf. Sie kreisen langsam, schwerfällig, wie Gedanken über einer alten Schuld.
Ihr Flügelschlag ist kaum hörbar. Doch ihr Blick sieht alles.
Sie ziehen weite Runden über der Main Street.
Über dem Hafen.
Über dem „Red Viper“-Saloon.
Und dann: ein Schwenk.
Ihr Kreis zieht sich enger. Tiefer.
Ihr Ziel ist klar.
Das Haus des Undertaker.
Von oben sieht es aus wie ein Splitter im Fleisch der Stadt.
Der Hof: voll.
Fünf Särge nebeneinander, sauber gebaut, sauber beschriftet. Zwei weitere lehnen an der Wand. Und ein achter – noch offen. Als würde er warten.
Werner Fallinsloch steht vor der Tür, reglos. Sein Schatten ist länger als er selbst.
Neben ihm: Gustav Hackebein, der Kutscher. Am Karren nagt die Sonne, am Rad der Zahn der Zeit.
Beide Männer sehen nicht nach oben.
Aber die Geier sehen sie.
Einer stößt tiefer. Kreist direkt über dem Dach.
Ein schlechtes Omen, flüstert man in Honisch City.
Ein gutes Geschäft, denkt Fallinsloch.
Hinter ihm: ein Knarren.
Die Tür zur Werkstatt schwingt auf.
Ein neuer Sarg wird herausgetragen.
Die Geier kreischen leise.
Sie wissen, was kommt.
Denn in Honisch City stirbt niemand zufällig.
Nur regelmäßig.
2 Kommentare
Scheene Bildchär……………
Scheene Cowboys unn Heisjer