Nach Tampere kommt man nicht einfach mal so. Es liegt näher an Moskau wie Berlin an Shturmigrad-Süd (lies: „Mainz“) und auf der Landkarte liest man in der Nachbarschaft Murmansk, Riga und Königsberg. So 1.600 Kilometer liegen zwischen Mainz und Tampere und auch der Fliescher düst so etwa zwo Stunden durch die Lüfte, bis er da ist. An Tampere Hauptbahnhof kommt man dennoch kaum vorbei. Warum und wieso? Das lest ihr hier und heute.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Tampereen rautatieasema & Tammerfors järnvägsstation
Finnisch und Schwedisch ist hier recht geläufig. Das liegt ja auch nahe, wenngleich „nahe“ hier immer ein paar Hundert Kilometer bedeutet. Finnland ist ein recht weites Land mit „nur“ 5,5 Millionen Einwohnern. Eine Million mehr als das Nachbarland Norwegen, aber nur halb so viel wie Schweden. Wenn die Schweden sich stärker vermehren, kann das durchaus an den attraktiven Schwedinnen liegen. Das ist weder chauvinistische Anwandlung noch Männerspruch. Es ist das Ergebnis meiner ausgiebigen Beobachtungen – in Schweden habe ich immerhin ein halbes Jahr verbracht. Nach Finnland trieb mich ein alter Reisewunsch – und ein Geschäftstermin, den ich nur zu gerne angenommen habe. Doch auch für mein Eisenbahnerherz hat Finnland, insbesondere Tampere so einiges zu bieten. Fangen wir mal bei Tampere Hauptbahnhof an.

Fliegt man nach Tampere, begrüßt einen zuallererst der chillige Tampere-Pirkkala Airport (Tampere-Pirkkalan lentoasema)
Arrival at Tampere-Pirkkala Airport (Tampere-Pirkkalan lentoasema)
Nach Tampere gelangt man per Lufthansa, Finnair, Air France, Scandinavian Airlines oder airBaltic. Letztere sind bezahlbarer, fliegen non-stop und wer dringend noch eine oder zwei Baureihe 44 fürs Bw benötigt, der fliegt eben gerne mit airBaltic. Das ist kein Nachteil, die Flotte von airBaltic ist offiziell die Jüngste aller entsprechenden Fluglinien. Wir düsten mit einem Airbus A220-300 dorthin.

Der Airbus A220-300 der airBaltic düst bei -55° Außentemperatur und knapp 900 km/h in 11.880 Meter Flughöhe von FRA nach TMP. Zwo Stunden häöt man in der Sardinendose aus, kann dann das entspannte und weitläufige Tampere genießen.
Wer die nervigen Abfertigungsschlangen und Sicherheitskontrollen am Fraport noch in Erinnerungen hat, der ist in Tampere angenehm überrascht. Dort wird nur der Covid-Status digital gecheckt und gut ist. Ein freundliches Land empfängt den Fluggast und das setzt sich fort. Als unsere Kreditkarte im Bus streikt und man kein Bargeld annehmen kann/darf, drückt man ein Auge zu und nimmt uns Touries ma ehmt gratis mit. Das ist auch gut, denn nachts um 23:55 Uhr isses schwierig mit dem Transfer vom Tampere-Pirkkala Airport nach Tampere-City an den Hauptbahnhof, wo unser Hotel, das Scandic auf uns wartet.
Gleis 1 an Tampere Hauptbahnhof
Nachdem die erste Nacht die Anstrengungen des Flugs weggewischt hat, muss man natürlich ein wenig den Bahnhof erkunden. Eine Stippvisite führt zum Gleis 1 des Tampere Hbf. Was sofort auffällt, das sind die Dostos oder Doppelstockwagen. Die sind hier scheinbar der Standard. Wenn ich den Zugschildern trauen darf, dann ist ein IC nach Helsinki damit bestückt. Die VR-Yhtymä Oy oder VR-Group Ab ist der aus der finnischen Staatseisenbahn hervorgegangene Logistik-Konzern, der das Ganze betreibt.
Viel Grün ist hier auf der bahn, das sind die Farben der VR. Und offenbar hat man ein Faible für die Doppelstockwagen entwickelt. Alleine 2015 orderte die finnische Staatsbahn VR bei Transtech Oy für 90 Millionen Euro 27 Doppelstockwagen und im Jahr 2021 kamen nochmal über 60 Doppelstockwagen für den Nah- und Stadtverkehr dazu. Die Zahlen klingen niedrig, aber man muss bedenken, dass die Bevölkerung lediglich ein Sechzehntel der deutschen umfasst. Insgesamt hält die VR über 400 Wagen für den Fernverkehr, einschließlich der Nachtzugflotte, und über 60 Doppelstockwagen für den Nah- und Stadtverkehr im Fahrzeugpool.
VR InterCity IC 36 – Kluuvi – Helsinki
Der VR InterCity IC 36 fährt von Tampere über Pasila und Tikkurila nach Helsinki – und hielt just in dem Moment, als ich Gleis 1 besichtigte, genau dort. Für meine Augen ein ungewöhnliches Bild mit den Doppelstockwagen im IC. Gezogen wird der IC 36 nach Helsinki von einer Sr2 (Betriebsnummer 3210) der VR. Die Sr2 ist übrigens die zweite Elektrolokomotiv-Baureihe, welche die Finnische Staatsbahn VR für den Reise- als auch im Güterzugdienst auf der Spurweite 1524 mm beschaffte. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 210 km/h, was man mit Stolz seitlich auf der Lok angeschrieben hat…

Auf der Elektrolok sr2 3210 der VR Finnische Staatsbahn im Hauptbahnhof Tampere hat man wohl mit etwas Stolz die Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h angeschrieben.

Der VR InterCity IC 36 – Kluuvi – Helsinki mit den Doppelstockwagen hinter der Elektrolok sr2 3210 der VR Finnische Staatsbahn im Hauptbahnhof Tampere.

So ein Doppelstockwagen des VR InterCity IC 36 – Kluuvi – Helsinki wäre ein Schmuckstück für die eigene Modellbahnanlage.

„Ostathan lipun ennen kuin nouset junaan“ – Ein Zungenbrecher am Doppelstockwagen des IC 36 Helsinki – Tampere.

Ein herrliches Relikt aus alter Zeit. Es kündet von den ersten Tagen des Bahnhofsgebäudes. Die Stadt Tampere erhielt 1876 Anschluss an die Strecke Turku – Hämeenlinna.
Kulinarik @ Tampere Hauptbahnhof
„Large Beer 6,80, Giant Screen“ – der Finne steht seinen deutschen Artgenossen in nichts nach. Die Bahnhofsgastronomie adressiert sich an den Fußballer und bietet Rudimentärversorgung: großen Flatscreen, Fleisch und Bölkstoff. Ist ja mal auch nichts Schlechtes dran. Etwas schwer tue ich mich mit dem Dialekt. Meine Ohren können den Takt der Buchstabenflut nicht erkennen und versagen ihren Dienst. Doch mein Schulenglisch rettet mich zuverlässig jedes Mal vor dem Hungertod.

Café – Bar – Diner: Tampere Hauptbahnhof hat nicht annähernd so viel zu bieten wie die Innenstadt, in der es sich tatsächlich trefflich dinieren lässt.
Sprachhürden in der Gastronomie?
Die finnische Sprache ist mit dem Ungarischen verwandt. Wer sich mit dem sicheren Beherrschen mehrerer Fremdsprachen rühmt, der strauchelt in Tampere auf jeden Fall. Die Vokabeln sind niemals herleitbar, es gibt keine bekannten Wortstämme und der gemeine Finne besitzt auch nicht immer Englischkenntnisse. So erkannt in so manchem Geschäft, auch außerhalb des Hauptbahnhofs. Dennoch helfen gute Englischkenntnisse, die man sinnvoll ergänzt mit außergewöhnlicher Gelassenheit, reichlich Gestik nach Ölaugenart und fleißigem Deuten auf Gegenstände und Bilder. Google Translate und DeepL helfen wenig, denn auch wenn man in Windeseile Vokabeln vorgeschlagen bekommt, spricht man die Ungetüme garantiert falsch aus. Zum großen Nachteil kann man auch nicht wirklich prüfen, ob man durch die falsche Aussprache der Verkäuferin gerade einen unsittlichen Antrag gemacht, pürierten Haifisch bestellt oder für die Präsidentschaft kandidiert hat. Aber das sorgt immer für reichlich Abenteuerspaß und man lernt viele nette Leute kennen. Das sind sie übrigens, die Finnen. 100% nett, freundlich und hilfsbereit.

Nichts für nach dem sechsten Bier: die Eigennamen der Speisen sind oftmals schwerste Zungenbrecher. Im Hauptbahnhof Tampere hilft jedoch ein Fingerzeig auf die Speisekarte, die wohl aus gutem Grund bebildert ist.

Fußballerherz, was willst Du mehr: am Hauptbahnhof in Tampere findet man passend zum Large Beer (okay, auch der Preis ist large…) auch einen Giant Screen – und reichlich Gleichgesinnte.
Finnland / Suomen Rautatiemuseo
Auch so ein Zungenbrecher, aber ein sympatischer. Wer die Vokabel in der Konsonantenflut erkennt, der weiß, dass von finnischen Eisenbahnmuseen gesprochen wird. Just am Hauptbahnhof Tampere gibt es ein solches nicht, doch der Bahnhof muss früher größere Bedeutung besessen haben, denn auf der dem Empfangsgebäude gegenüberliegenden Seite liegen zwei Ringlokschuppen, welche früher über zwei(!) Drehscheiben mit Lokomotiven versorgt wurden. Diese Ringlokschuppen werden heute von der Eventgastronomie genutzt, haben eisenbahntechnisch leider gar keine Bedeutung mehr. Dazu schreibe ich nochmal etwas mehr in einem eigenen Artikel.

Kein Finnland / Suomen Rautatiemuseo, doch ein interessantes Fundstück am Hauptbahnhof von Tampere: der ehemalige doppelte Ringlokschuppen mit jeweils einer eigenen Drehscheibe. Die beiden Ringlokschuppen waren beide zwölfständig.
Die Gleisanlagen des Bahnhofs Tampere
… sind eher überschaubar, dennoch angenehm anzusehen. Natürlich habe ich gleich überlegt, ob ich da nicht auf einem Eisenbahnmodul mal eben schnell was nachbauen sollte. Die Gleisführung hat ihre Reize – und wie! Ich sah mich auch schon die Fahrstraßen schalten.

Die gleiche Einfahrstraße von der anderen Seite der Brücke aufgenommen. Kein Gleisplan, aber Anlass genug für gedankliche Planarbeiten.

Schaufensterwerbung in Nachbarschaft zum Bahnhof: der Personalvermittler Armstrong wirbt. Finnland hat einen jungen Geist, der sich an vielen Stellen ausdrückt, wie hier. Kein verstaubter Mief, mehr Dynamik und Nach-Vorne-Gehen.
Die Elektrolokomotive Sr2 der VR von ROCO
War ja jetzt klar, dass ich mal nachgeschaut habe, was man so kriegen kann. Drei Modelle fand ich auf die Schnelle:
- Roco 72507 – Elektrolokomotive Reihe Sr2 der Finnischen Staatsbahnen (VR), Epoche V – VI, Betriebsnummer 3221, grüne Farbgebung
- Roco 43958 – Class Sr2 of the VR (Finnish State Railway) – 3-rail AC – Betriebsnummer 3207, rote Farbgebung
- Roco 46927 Hbbins Schiebewandwagen der VR-Yhtymä Oy (VR), Betriebsnummer 21 10 247 0 100-8
- Roco 46749 – Schiebewandwagen Hbbins ‚Sea Rail‘ für den Fähverkehr mit Skandinavien, SoSe des Jahres 1997 für Vedes mit finnischen Anschriften unter den Schiebewänden, der DB
Wer mehr über Rollmaterial auf Modellbahnen in Finnland lesen möchte, dem sei dieses PDF empfohlen.

Eine Möve in der Luft. Über dem Hautpbahnhof von Tampere schwebend. Hier in Finnland ist es windig und der Flattermann hatte so viel Gegenwind, dass ihn dieser ohne einen Flügelschlag trug.
2 Kommentare
Wo du dich überall rumtreibst ………………………………..
Na, dann lass Dich mal überraschen…